Neue Köpfe, alte Zöpfe – Hört auf damit, bietet Chancen!
Eine Streitschrift für Personalarbeit im 21. Jahrhundert – von Thomas Klauder

 

Liebe Personalverantwortliche, -Berater, HR-Manager und Kandidaten. Ich lade Sie heute ein auf eine Zeitreise in die 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts; ein Schlaraffenland für einstellende Manager, ein Überangebot von eifrig konkurrierenden Kandidaten, die man nach Herzenslust mit den abgefeimtesten Mitteln evaluieren, selektieren und klassifizieren konnte. Am Ende eines inquisitorischen Prozesses lag der dankbare Kandidat glücklich zitternd und weinend vor den Füßen der Personalabteilung, wenn er endlich seinen Arbeitsvertrag entgegennehmen konnte. So war es!

Zurück in die Gegenwart, heute, so sollte man meinen, ist alles ganz anders. Unternehmen führen Employer-Branding-Kampagnen, konkurrieren hart an den Hochschulen um den besten Nachwuchs, „sourcen aktiv“ und beschäftigen die effektivsten, hippsten, höchstpezialisierten oder snobistischsten Personalberater und andere Dienstleister.

Dann kommt der große Moment: der Kandidat wird per Dossier präsentiert oder sogar zum Interview eingeladen. Die fachliche Passung ist selten problematisch. Aber: Häufige Wechsel oder Branchenwechsel, hierarchische oder finanzielle Rück- und Seitenschritte oder – ganz schlimm: Phasen ohne formelle Beschäftigung werden nicht akzeptiert. Kommt es zur Absage nach Sichtung der Unterlagen, ist es prinzipiell in Ordnung, das Unternehmen hat das Recht dazu. Viel schlimmer jedoch, wenn der Kandidat eingeladen, dann auf diesen vermeintlichen Defiziten eingehackt und gebohrt wird – und es dann deswegen zur Absage kommt. Leider ist dieser Fall recht häufig. Interessanterweise wird ein Mensch, der 20 Jahre auf demselben Job in einem Großkonzern war, respektvoller behandelt, als der, der in zehn Jahren vier verschiedene Arbeitgeber hatte.

Man fragt sich, warum, und ich sehe dafür einen Erklärungsansatz: Es ist das Nachwirken der alten Welt. Man ging zu einem Arbeitgeber, machte alle paar Jahre einen kleinen Karriereschritt und blieb dort loyal und diszipliniert. Alles andere wurde als unstet, unzuverlässig und sozial inkompatibel abgeurteilt. Schließlich musste man sich vor den Risiken eines Tunichtgutes schützen!

Auch in Zeiten des eklatanten Fachkräftemangels wird dieses Verhalten reflexartig durchgezogen. Man weiß, dass man um die Fachkräfte kämpfen muss, verhält sich allerdings so, als wäre man das attraktivste Unternehmen der Welt und die Kandidaten stünden Schlange. Ich plädiere für eine selbstkritische Innenschau in unserem Metier und teile dazu folgende Gedanken:

Häufige Wechsel müssen nicht schlecht sein. Jeder, der verantwortlich entscheidet und handelt, weiß, dass es durchaus möglich ist, dass falsche Entscheidungen getroffen werden, von allen Beteiligten, oder dass Dinge einfach scheitern können. Glück und Pech gehören dazu, niemals ist immer nur einer verantwortlich. Weiter ist bei jedem neuen Einstieg die Lernkurve exorbitant steil, flacht im zweiten und dritten Jahr dann dramatisch ab. Wer häufiger wechselt, lernt mehr, an Fachlichem und an Unternehmenskultur. Er gewinnt Verbindungen und macht Erfahrungen, die er beim Verbleib im alten Unternehmen niemals würde erringen können.

Dasselbe gilt für Quereinstiege: Die Bereicherung, die aus der Perspektive des Branchenfremden gewonnen werden kann, ist enorm. Zumindest für Unternehmen, die offen, kooperativ, flexibel und neugierig sind. Und warum sollte man das nicht sein? Diese Eigenschaften sind Erfolgspotenzial in einer sich immer stärker globalisierenden, dynamisierenden Weltwirtschaft, die täglich von neuen Disruptionen herausgefordert ist.

Schließlich der Reifeprozess des Kandidaten selbst. Warum sollte man eine Arbeitslosigkeit als „Sabbatical“ oder „Wunschtraum-Weltreise“ verbrämen. Können wir mit der Arbeitslosigkeit und Jobsuche nicht genauso entspannt und selbstbewusst umgehen, wie mit der bewussten Entscheidung für persönlichkeitsbildende Auszeit? Aber traut sich der Controller tatsächlich zu sagen, dass er mit Liebe und Hingabe ein halbes Jahr beim Winzer gearbeitet hat? Vermutlich nicht, aus Furcht vor Sanktionen.

Eine weitere interessante Beobachtung aus unserer täglichen Praxis ist, dass gerade die Firmen auf sauberste Lebensläufe achten, die es ihrerseits neuen Mitarbeitern am schwersten machen. Ein frustrierter Kandidat sagte: „Erst haben die Firmen mir den Lebenslauf zerschossen, seither fragen Sie mich, warum mein Lebenslauf zerschossen ist…“. Hinter der einseitigen Zuspitzung steckt eine große Wahrheit: die Arbeitswelt „flexibilisiert“ sich, die Unternehmen wollen aber keine „flexibilisierten Mitarbeiter“ einstellen. Wir erleben hier eine gewaltige tektonische Verwerfung, in deren Bruchzone leider der Kandidat die Hauptlast trägt.

Meine Idee für eine bessere Arbeitswelt, mit der es uns gelingt, den Herausforderungen der Technologie, der Weltpolitik und der internationalen Konkurrenz zu begegnen:

Nicht schauen, was wie und warum war, sondern ausschließlich auf das, was auf Basis des Erreichten künftig erreicht werden kann. Wir schauen auch nicht auf die Vergangenheit von Aktien, sondern schätzen deren Zukunftspotenzial ein. Warum bohren wir in der Vergangenheit der Menschen?

Mehrere Arbeitgeber, mehrere Wechsel bedeuten mehr Know-how, mehr Kontakte, die für das neue Unternehmen von großem Nutzen sein können, es ist kein Manko. Wer häufiger wechselt, zeigt sich grundsätzlich als lernbereit und -fähig.

Quereinsteiger bringen neue Blickwinkel und Perspektiven, sind oftmals motivierter als diejenigen Menschen, die seit zehn Jahren dasselbe tun. Austausch zwischen den Branchen, zwischen Politik, Wirtschaft und Verwaltung können befruchtend und synergetisch sein.

Chancen geben, Erfolge sichern, wir helfen gerne dabei!

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