Es gehört zu unserem Alltag, dass wir Menschen treffen, die auf Jobsuche sind, mal gelassen, souverän und selbstbewusst, manchmal auch ein bisschen verzweifelt.
Bei allem Know-how, Verbindungen und Tipps, die wir dabei weitergeben können, liegt mir ein Thema sehr am Herzen – weil ich die Erfahrung auch selbst kenne.
Aus den Unternehmen sind wir es gewohnt, jeden Tag 8+ Stunden zu arbeiten, auf ein messbares Ergebnis zuzusteuern und einer gewissen Effizienzverpflichtung zu unterliegen. Leerlauf ist verboten!
Jetzt ist der Mensch plötzlich frei, seine einzige Aufgabe ist es, einen Job zu finden. DIE EINZIGE AUFGABE! Jetzt entsteht gehörig unter Druck, einen neuen Job zu finden. Den macht man sich selbst, den macht auch die Gesellschaft, das soziale Umfeld, die Arbeitsethik….
Also ans Werk, 8 Stunden am Tag, besser rund um die Uhr. Netzwerken, Stellenportale absuchen, LinkedIn Profil auf Rasiermesserschärfe bringen… Läuft!
Läuft ein paar Tage, dann dreht man sich schon im Kreis. Irgendwann reduziert sich die tägliche Routine auf einen Workload von maximal einer Stunde. Den Rest des Tages kann man noch nutzen für Netzwerken im Café, Messebesuche, Telefonieren, aber auch das füllt irgendwann den Tag bei weitem nicht mehr.
Dann wird der Keller ausgemistet und frisch gestrichen, den Garten in militärische Ordnung gebracht, die Bücherwand nach Farben sortieren, Depot bereinigt u.v.a.m. Das ist dann alles auch mal gemacht – und jetzt kommt zusammen mit dem einsetzenden Leerlauf die große Verzweiflung.
Wir ertragen es schwer, wenn unsere Aktivitäten keinen direkten Erfolg bringen. Wir ertragen es schwer, wenn wir unseren Tag nicht produktiv füllen können. Manche ertragen es auch nicht, dass sie nicht messbar auf vorgegebene Ziele zusteuern oder klare Ansagen haben, was zu erledigen ist. Leerlauf, Freiheit, Unvorhersehbarkeit, Vagheit und fehlender Zielhorizont sind nicht leicht zu bewältigen.
Unsere Nachrichten an die Menschen in der Situation: keine Sorge, der nächste gute Job kommt, aber es kann dauern, weil es ja gut passen muss. Manchmal hat man Glück und es geht schnell. Wenn es aber dauert, dann ertrage es mit Genuss statt schlechtem Gewissen, genieße die Freiräume und auch mal das Nichtstun, widme dich Menschen und schönen Dingen. Es ist noch keiner hinten runtergefallen!
Und: die guten alten Zeiten von großer Kontinuität und stetigem Wachstums in den Lebensläufen sind vorbei. Eine zeitgemäße Erwerbsbiografie kennt auch Brüche, Sabbaticals, Neuausrichtung und Phasen alternativer Projekte.
Wie war das bisher bei Euch? Kennt Ihr die Phänomene oder lief immer alle straight und planbar?